Gina Holzmann startet mit Lyrics in Waldviertler Mundart-Machart als Solokünstlerin durch. An einem sonnigen Herbsttag spreche ich mit ihr in der BAR im Prater über ihr neues Projekt, ihre Single Fliag!, Freiheit und warum der Prater als perfekte Kulisse in ihrem Musikvideo dient.

 

Interview von Ruperta M. Steinwender

 

Ruperta M. Steinwender: Gina, was hat dich aus dem Waldviertel nach Wien gebracht? 

Gina Holzmann: Nach der Matura wollte ich die Stadtluft schnuppern. Und seitdem picke ich in Wien fest – es haben sich sehr viele coole Sachen ergeben, wie Jobs, Ausbildungen und Freunde.

Du warst bis vor kurzem in einer Band. Wie kam es zum Schritt nun als Solokünstlerin aufzutreten?

Gar nicht so radikal, wie es zu sein scheint. Es hat sich künstlerisch ergeben, dass ich wieder angefangen habe Lieder zu schreiben, die profanere Themen bearbeiten und mit einem anderen Musikstil, als davor in der satirischen Wiener Rock’n’Roll Band “Rammelhof”. Meine Musik ist jetzt etwas ruhiger, poppiger und down to earth. Außerdem war es Zeit für einen neuen Aufbruch, Dinge loszulassen. Als ich dann den Produzenten Dieter Stemmer kennengelernt habe, hat er mich motiviert ein Album herauszubringen.

Du hast gesagt es war Zeit Dinge loszulassen, diese Thematik ist auch zentral in deinem Song Fliag!. Was sind deine nächsten Schritte?

Uh (lacht) – eine tiefgehende Frage. Es ist gerade sehr aufregend bei mir, es fliegen mir viele Sachen zu, die ich nie vermutet hätte. Ich möchte Erfolg mit meinem Solo-Projekt haben, weil es mir Spaß macht und ich sehr gerne auf der Bühne stehe. Live Musik zu spielen ist eines der schönsten Dinge, die es für mich gibt. Ansonsten möchte ich gar nicht viel verändern in meinem Leben, es geht mir gerade sehr gut. Den radikalen Schritt habe ich schon hinter mir. 

Gina Holzmann startet als Solokünstlerin durch. Foto: Jeannine Felzmann

 

Welcher Schritt war so radikal?

Zum Zeitpunkt des Schreiben des Liedes gab es einige Dinge, die mich festgehalten und belastet haben. Ich habe sie nicht hinter mir gelassen, sondern mich damit beschäftigt und eine Therapie gemacht. Das Album ist also in dieser Zeit der Selbstreflexion entstanden. 

Dir sind Dinge zugeflogen, hast du gesagt. In Fliag! geht es um Freiheit. Was bedeutet sie dir? 

Das Leben in Westeuropa. Abgesehen von den aktuellen Restriktionen aufgrund der Corona-Situation ist unser Leben in Europa frei: Meinungsfreiheit, Frauenrechte, dass man großteils machen kann, was man will. Freiheit ist auch ein Sommergefühl. Es hat definitiv auch mit schönem Wetter zu tun, nämlich mit Sonne. (lacht)

Was für ein Glück, dass es heute im Prater schön ist.

Urgeil, ja!

Warum hast du den Prater als Kulisse für dein Musikvideo gewählt? 

Die Idee kam von der Videoproduzentin Jeannine Felzmann. Sie hatte davor schon einmal im Prater gedreht und meinte, dass die Kulisse super ins Video passt. Und sie hatte Recht! Der Prater passt in die Story wie die Faust aufs Auge. Denn mit ihm verbindet man “Raus aus dem Alltag”, “Spaß haben und Blödsinn machen”. Ich dachte mir auch gerade auf dem Weg hierher in die BAR im Prater, ich fühle mich wieder wie ein Kind – es riecht anders, es ist ein anderer Vibe.

 

Mit dem Prater verbindet man “Raus aus dem Alltag”, “Spaß haben und Blödsinn machen”.

 

Welche Botschaften vermittelst du mit deiner Musik?

Beim Songschreiben denke ich mir nie vorher welche Botschaft ich vermitteln möchte, sondern der Song entsteht einfach. Und danach überlege ich, was könnten die Leute darüber denken. Da kann es dann schon vorkommen, dass ich ein paar Textänderungen vornehme. 

Mit meinem Solo-Projekt habe ich jedoch schon eine Botschaft: Dass sich jede:r einmal mit profanen Dingen im Leben beschäftigen kann und auch soll. Ich will zeigen, dass niemand alleine ist mit seinen bzw. ihren Überlegungen und dass es Hoffnung gibt, auch wenn man lange sucht. 

Gina Holzmanns erste Singleauskoppelung Fliag! ist eine Hommage an die Freiheit, sich immer wieder neu zu erfinden. Foto: Jeannine Felzmann

 

Ich kann mir gut vorstellen, dass Fliag! für all jene als Inspiration dienen kann, die sagen, ich stecke gerade in einer Lebenssituation fest. Von mir werden Dinge erwartet, die ich nicht so leben will …

Ich habe gerade Gänsehaut bekommen, als du das gesagt hast. Eine meiner Schwestern und ein ehemaliger Arbeitskollege zum Beispiel haben mich gefragt, ob ich das Lied für sie geschrieben habe, weil es gerade so gut in ihr Leben passt. Viele Leute können etwas mit Fliag! anfangen. 

Ginas erste Singleauskoppelung Fliag! ist eine Hommage an die Freiheit, sich immer wieder neu zu erfinden. Die Zeilen „ma muaß Dinge beenden und daun die Zeit neich verwenden“ sind mit einer Achterbahnfahrt –  die das Leben eben ist – im Musikvideo bebildert.

Was muss man über dich wissen? 

Mein Musikgeschmack ist sehr breit gefächert – ich liebe Metal und spiele auch in der Band “Out of Nothing” Bass. Das macht großen Spaß und es geht zur Sache. Und man kann über mich noch wissen, dass ich vier Schwestern habe, das finde ich cool.

Danke für das Interview Gina Holzmann!

 

 

Es ist Mittag, die Sonne hat ihren Hochstand erreicht und wir genießen den Schatten mit einem erfrischenden Bio-Drink auf der Dachterrasse der BAR im Prater. In der beflügelnden Geräuschkulisse der umliegenden Attraktionen, führe ich mit der Wiener Singer-Songwriter Daniela Flickentanz und der Schauspielerin und Regisseurin Marie-Therese Lind ein Gespräch über das neue Musikvideo “L(i)eben ist ein Risiko”, warum das Video im Prater gedreht wurde und welche Risiken die beiden Künstlerinnen in ihren Leben eingehen.

 

Interview von Ruperta M. Steinwender

 

Ruperta M. Steinwender: Wie entstand die Idee zum neuen Song “L(i)eben ist ein Risiko?”

Daniela Flickentanz: Ich hatte eine ziemlich heftige Lebensphase im Jahr 2017. Zu dieser Zeit hatte ich meinen alten Job aufgegeben, mich selbstständig gemacht und ich steckte inmitten einer Identitätsfindung. Dann kam noch eine partnerschaftliche Krise dazu, denn meine Unsicherheit hat sich auch auf meine Beziehung ausgewirkt. Eines morgens bin ich dann aufgewacht und ich dachte mir: Bist du jetzt eine Songwriterin oder nicht? Und wenn du eine bist, dann schreibst du ab jetzt für 30 Tage jeden Tag ein Lied. Und daraus ist das Lied “L(i)eben ist ein Risiko entstanden. Dann kam Marie dazu …

Marie-Therese Lind: Ja! Wir haben beschlossen nach unserem ersten gemeinsamen Musikvideo “Leinen Los” wieder zusammenzuarbeiten. Als Daniela mit dem Song auf mich zukam und meinte, dass wir wegen dem Lockdown nur eine Studioproduktion machen, dachte ich mir, dass die Themen Leben und Lebensfreude in den Prater gehören. Ich wusste jedoch nicht, ob das überhaupt möglich ist, eigentlich dachte ich es sei unmöglich. Trotzdem habe ich mich getraut die Idee auszuformulieren und Daniela war sofort Feuer und Flamme dafür. Und ab da ging es zügig voran. Wir haben die Geschichte für das Musikvideo mit dem Kameramann konzipiert und Daniela war voll in der Organisation dabei, damit wir den Dreh in einem Tag unterkriegen. Auch unsere Kooperation mit den Koidl Vergnügungsbetrieben hat super funktioniert. Es war uns auch wichtig, dass wir alles Coronakonform über die Bühne bringen.

L(i)eben ist ein Risiko | (c) bydominik.com, Dominik Matyas

Liebe, Leben, Lebenslust. Warum genau der Prater als Kulisse?

Marie-Therese Lind: Ich habe den Prater schon immer wahnsinnig schön gefunden, er ist einfach das Symbol in Wien für Lebensfreude. Und wenn es um Lebensfreude und bunte Bilder geht, gibt es keine Location, die sich besser eignet. Sie ist einzigartig.

Daniela Flickentanz: Da kann ich mich nur anschließen. Als Marie den Prater für den Musikvideodreh vorgeschlagen hat, begriff ich emotional sofort, warum es diese Kulisse sein “muss”: Es gibt einfach keinen besseren Platz für das innere Kind, als den Prater.

 

Ich habe den Prater schon immer wahnsinnig schön gefunden, er ist einfach das Symbol in Wien für Lebensfreude.

 

Was war dein bisher größtes Risiko, das du in deinem Leben eingegangen bist, Daniela?

Daniela Flickentanz: Man denkt immer es seien Dinge, wie den Job kündigen. Das größte Risiko im Leben ist jedoch sich zu öffnen und sich zu zeigen. Das Risiko für mich ist die eigene Gedankenwelt offen zu legen und auch die eigene Angst “Keiner denkt so wie ich” anzunehmen. Denn ich sehe, dass es ganz vielen Menschen so geht. Das Risiko ist, sich sehen zu lassen, wie man ist. Das entdecke ich gerade.

 

Und dein größtes Risiko, Marie?

Marie-Therese Lind: Das man die Möglichkeit hat, sich jeden Tag aufs Neue auf das Leben einzulassen. Diese Message kommt auch im Song vor. Es ist schnell daher gesagt, aber es ist eine Herausforderung. Wir Künstlerinnen im freiberuflichen Bereich haben auch das Risiko des Scheiterns ganz präsent, vor allem auch in Coronazeiten.
Ich bin dankbar, dass ich über Jahre immer wieder Risiken eingegangen bin. Der erste Schritt war, dass ich mit 16 Jahren beschloss Tänzerin zu werden, obwohl ich davor nicht viel getanzt habe. Also volles Risiko! Alle haben zu mir gesagt, ich sei verrückt. Ich habe auch 10 Jahre gebraucht meine erste Regie zu machen, das war 2020. Und dieses Musikvideo war nun meine dritte Regiearbeit sowie mein größtes Set mit mehr als 50 Personen. Jedes neue Projekt, jeder neue Tag und jede zwischenmenschliche Beziehung kann ich so gut es geht planen, aber es ist immer ein Risiko, es kann immer etwas schief gehen. Ich versuche mich meinem Credo “Bleib verletzbar” immer wieder zu stellen – vor allem als Schauspielerin. Da muss ich die Gefühle auch präsent haben, um damit arbeiten zu können. Das ist mit Beziehungen und Lebensentscheidungen das Gleiche. Und je öfter man ein Risiko eingeht, desto leichter ist es.

Daniela Flickentanz: Ich weiß nicht, ob es leichter wird, aber es wird irgendwann nicht mehr so dramatisch. Du weißt, ok ich bin jetzt verletzt und es wird dramatisch, aber ich gehe jetzt da durch und es wird heilen. Dort wo die größte Wunde ist, befindet sich auch das größte Potenzial.

L(i)eben ist ein Risiko | (c) bydominik.com, Dominik Matyas

Daniela, welche Vision hast du als Künstlerin?

Daniela Flickentanz: Urspannende Frage. Meine Vision ist, dass ich etwas Persönliches teile und dadurch Verbundenheit erzeugen kann. Ich glaube, dadurch dass ich etwas Persönliches teile, wird es auch für die anderen Menschen leichter etwas zu teilen.

Und ein guter Songtext ist für mich persönlich genug, um eine Geschichte zu erzählen und auch abstrakt genug, dass viele Menschen sich daraus was ziehen können. Ich möchte nicht in meinem eigenen Saft baden, sondern über den Tellerrand schauen.

 

Welche Vision hast du, Marie?

Marie-Therese Lind: Vision ist ein großes Wort. Aber wie Daniela schon gesagt hat, wir teilen viele Werte. Für mich ist die Verbundenheit zum Leben sehr wichtig. Wir haben alle etwas, das uns verbindet. Wir leben in der gleichen Zeit, unter denselben Bedingungen – die zum Teil alles andere als lustig sind – und die großen Bedürfnisse der Menschen sind immer die gleichen. Egal, in welcher Situation man steckt. Ich glaube dass es sehr wichtig ist, sich selbst immer wieder diese Verbindung spürbar zu machen. Eine Schauspielerin hat mal gesagt, die Leute gehen ins Kino, um sich selbst zu sehen. Egal was für ein Genre, ob ein Experimentalfilm oder ein Musikvideo, man kann dieses Verbindende spürbar machen und das ist mir wichtig.

 

Welche Kindheitserinnerungen habt ihr an den Prater?

Marie-Therese Lind: Ich habe leider keine Kindheitserinnerungen an den Prater, ich hab ihn erst als Erwachsene kennengelernt, da ich mit 18 zum Studieren nach Wien gezogen bin. Zu Beginn habe ich mich auch nicht so für Wien interessiert habe, weil ich nach London wollte und bin dann Stück für Stück drauf gekommen, dass Wien urcool ist. Und dann bin ich mal im Prater gelandet und war total begeistert, da er nichts mit dem provinziellen Kirmes, die es in meiner Kindheit am Land gab, zu tun hatte. Eine der ersten Attraktionen, die mich fasziniert hat, war die Geisterbahn. In eine andere Welt entführt zu werden finde ich nicht nur als Kunstschaffende, sondern auch privat total cool. Du entkommst dem Alltag, wenn du dich in ein lässiges Fahrgeschäft setzt.

 

Du entkommst dem Alltag, wenn du dich in ein lässiges Fahrgeschäft setzt.

 

Und deine, Daniela?

Daniela Flickentanz: Lángos, fällt mir als erstes ein. Und dass es mir immer viel zu groß war, um es aufzuessen. Und immer diese Aufregung bevor wir mit einem Fahrgeschäft gefahren sind. Egal ob es das Autodrom oder das Blumenrad war, es war immer wahnsinnig aufregend das Ticket zu kaufen, mich anzustellen und zu fahren. Dann war es gefühlt immer viel zu schnell vorbei. An die Attraktion Break Dance habe ich eine Jugenderinnerung, aber die erspare ich euch (lacht).

Danke euch beiden für das Interview!

 

 

Daniela Flickentanz | (c) bydominik.com, Dominik Matyas

Daniela Flickentanz schreibt seit 2002 deutschsprachige Lieder, ihre Musik ist ehrlich, persönlich und individuell. Seit 2014 tritt die Wienerin als FLICKENTANZ auf. Im Herbst erscheint ihr 2. Album “Eine von Vielen” inklusive ihrer Single “L(i)eben ist ein Risiko”.

Marie-Therese Lind | (c) bydominik.com, Dominik Matyas

Marie-Therese Lind ist seit 15 Jahren als darstellende Künstlerin aktiv. Seit 2020 ist die gebürtige Lienznerin neben dem Tanz und der Schauspielerei auch als Regisseurin und Produzentin tätig. In jeder ihrer Arbeiten ist ihr wichtig, das Verbindende durch Kunst spürbar zu machen.